Geldgierige Investoren erobern den deutschen Krebs-Markt. Ihr Geschäftsmodell könnte gefährlich für Patientinnen und Patienten sein – wie neuere Studien nahelegen.
Der stern berichtet am 20.09.2023 unter diesem Titel in seiner online-Ausgabe (Abopflicht) über unsere MAK-Untersuchungen.
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Autor ist Dr.med. Bernhard Albrecht.
Die dazugehörige Agenturmeldung lautet:
stern
Potenziell wirkungslose Krebs-Infusionen
Internationale Kapitalanleger erobern den deutschen Krebs-Markt. Ihr Geschäftsmodell könnte gefährlich für Patientinnen und Patienten sein – wie neuere Studien nahelegen
Monoklonale Antikörper sind die Blockbuster im billionenschweren Pharmamarkt. Sie gelten als Wunderwaffen im Kampf gegen Krebs. Doch wenn sie über zu lange Strecken transportiert werden, könnten sie gefährlich für Patienten werden. Dies ist das Fazit einer Studie deutscher Pharmazeuten, die aktuell für Diskussionen in Fachkreisen sorgt, die der stern nun erstmals für eine breite Öffentlichkeit aufgreift. Das Forschungsteam hat die hochempfindlichen Medikamente Rüttel-Versuchen unterzogen, die Transportbedingungen simulieren sollen.
Es wurden Verklumpungen nachgewiesen. Bekannt ist bereits, dass solche Verklumpungen das Immunsystem auf unerwünschte Weise aktivieren können, sodass es nun das Medikament bekämpft. Die möglichen Folgen sind: Wirksamkeitsverlust der Medikamente, Allergien, anaphylaktische Schocks. Der Krebsmediziner Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, sagte dem stern: „Ein verantwortungsbewusster Onkologe sollte darauf pochen, dass monoklonale Antikörper nur dann eingesetzt werden, wenn sie vor Ort in einer Apotheke hergestellt wurden und somit zeitnah verabreicht werden können.“ Das solle gelten, solange der Einfluss von Transportwegen auf deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht ausreichend untersucht sei, so seine Ansicht.
Auf langen Transportwegen für monoklonale Antikörper baut das Geschäftsmodell einiger Investoren auf, die in der ambulanten Krebsmedizin aktiv sind. Sie haben über Firmenkonstrukte Arztsitze von Onkologen aufgekauft, deren Praxen nun über zentrale Labore versorgt werden. Die monoklonalen Antikörper, die als Konzentrate von Pharmafirmen in diese Verteilerlabore geliefert werden, werden dort vorschriftsmäßig mit Kochsalzlösung verdünnt. Dabei entstehen hohen Gewinnmargen. Als Infusionsbeutel werden sie dann über regionale Apotheken als Zwischenhändler an die Onkologie-Praxen geliefert.
Die Konzerne bewegen sich in einer Art Grauzone, denn bei der Europäischen Arzneimittel Agentur EMA existieren keine Vorgaben über den Umgang mit Infusionsbeuteln mit monoklonalen Antikörpern bei sehr langen Transportstrecken. Die Behörde gab sich dem stern gegenüber überrascht. So ein Vorgehen scheine im Widerspruch zu Leitlinien des EMA-Ausschusses für Humanarzneimittel zu stehen, so ein Sprecher der Behörde: „Die Zubereitung der Lösung für die Infusion soll am Ort der Verabreichung erfolgen.“ Und zwar möglichst zeitnah. Schon lange ist bekannt, dass monoklonale Antikörper hochempfindlich auf Erschütterungen reagieren. Denn sie bestehen aus Eiweißen, die „denaturieren“ können, so wie Hühnereiweiß, wenn man es schaumig schlägt. Schon auf kurzen Wegen können sie geschädigt werden – zum Beispiel durch achtloses Personal, wenn sie runterfallen oder per Rohrpost verschickt werden. Auf langen Fahrtstrecken kommen Straßenunebenheiten, Kopfsteinpflaster, Rüttelschwellen und abrupte Fahrmanöver hinzu. Einer US-kanadischen Studie zufolge können die Erschütterungen dabei ein Vielfaches der Erdbeschleunigung betragen.
Obwohl bislang nicht wissenschaftlich untersucht wurde, in welchem Zustand Krebs-Infusionen aus den investorengeführten Laboren in die Venen der Patienten fließen und was sie in deren Körpern auslösen, hält das Paul-Ehrlich-Institut weitere Studien für überflüssig.
Die Diskussion über das brisante Thema nimmt gerade erst Fahrt auf.
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